Die Rub Al Khali-Wüste, auch bekannt als Leeres Viertel, ist die größte Sandwüste der Welt. Sie erstreckt sich über Saudi-Arabien, Jemen, die Vereinigten Arabischen Emirate und Oman.
Ihr Name ist sehr passend: Außer einigen hartgesottenen Beduinenstämmen mit ihren Kamelen überlebt im Leeren Viertel kaum etwas. Unter dem Sand liegen vermutlich einige zerstörte Städte, die lediglich noch in alten Gedichten der einheimischen Nomaden Erwähnung finden, begraben – eine davon wurde 1992 entdeckt.
Mitten in der unwirtlichen Rub Al Khali-Wüste, bei einem kleinen Oasendorf namens Shisr im Oman, fand eine Forschergruppe unter der Leitung des Amateurarchäologen und Filmemachers Nicholas Clapp größtenteils unter Sand verborgene Ruinen, die sie als sagenumwobene Stadt Ubar identifizierte.
Satellitenaufnahme der Arabischen Halbinsel | © gemeinfrei
Ubar wurde vor fast 5.000 Jahren erbaut. Die Stadt wurde als Verarbeitungs- und Versandzentrum für Weihrauch, einem aromatischem Harz, das an den nahegelegenen Quara-Bergen angebaut wurde, beschrieben. Zur damaligen Zeit war Weihrauch so wertvoll wie Gold. Es wurde von den Römern, Ägyptern und anderen antiken Zivilisationen hoch geschätzt und unter anderem in ihren Ritualen verwendet.
Auch heutzutage ist Weihrauch noch ein wertvolles Gut. Die Bäume der Gattung Boswellia, von denen der Weihrauch gewonnen wird, sind nur in einigen Ländern zu finden: Äthiopien, Jemen, Somalia, Oman und Sudan.
Clapp und seine Forschungspartner vermuten, dass Ubar mit der im Koran erwähnten Stadt Iram gleichzusetzen ist. Dem Koran nach bewohnte ein Volk mit dem Namen ʿĀd diese antike Stadt. Es soll vom islamischen Glauben abgefallen sein und Götzenbilder angebetet haben. Daraufhin habe Allah den Propheten Hūd gesandt, um die ʿĀd aufzufordern, wieder zur Anbetung Allahs zurückzukehren.
Diese reagierten feindselig und missachteten Hūds Aufforderung. Allah soll dies nicht toleriert haben: Er schickte einen sieben Nächte und acht Tage anhaltenden Sandsturm über Iram, so dass die Stadt am Ende unter dem Sand verschwand und in Vergessenheit geriet.
Viele Forscher bezweifeln, dass Iram eine tatsächlich existierende Stadt war. Sie sehen diese Überlieferung lediglich als eine moralische Geschichte, die die Gläubigen davor warnen soll, sich von Allah abzuwenden.
Nicholas Clapp, der schon sein Leben lang von der arabischen Welt fasziniert war, bekam 1992 den Anstoß für seine Suche, nachdem er zum ersten Mal in dem Buch Arabia Felix vom britischen Entdecker Bertram Thomas über Ubar las.
Thomas, ebenso wie der bekannte Lawrence von Arabien, dessen Planung für eine Erkundungsexpedition durch seinen Tod unterbrochen wurde, wollten die legendäre Stadt ausfindig machen – jedoch erfolglos. Thomas Edward Lawrence, so der richtige Name Lawrence von Arabiens, bezeichnete Ubar sogar als Atlantis der Wüste.
Bericht über Nicholas Clapp, der 1992 die legendäre Stadt Ubar entdeckte
Clapp hatte gegenüber Thomas und Lawrence einen entscheidenden Vorteil: die weit fortgeschrittene Technik. Er überzeugt die Jet Propulsion Laboratory-Wissenschaftler Charles Elachi und Ronald Blom, die Region der Arabischen Halbinsel, in der er Ubar vermutete, mit einem speziellen Shuttle-Radarsystem zu scannen.
Das Radarsystem war in der Lage, durch den Wüstensand zu »sehen« und geologische Merkmale des darunterliegenden Bodens zu erkennen. Alte Handelsrouten, die durch hunderttausende Kamele in der harten Oberfläche verewigt wurden, kamen zum Vorschein.
Die Knotenpunkte, an denen sich zwei oder mehr der alten Handelsrouten kreuzten, erachtete Clapp als erfolgversprechendste Suchregionen.
Mit diesen neuen Erkenntnissen warb das kleine Forscherteam den Archäologen Juris Zarins von der Southwest Missouri State University und den britischen Entdecker Sir Ranulph Fiennes an.
Das neu formierte Team begab sich nach Oman und durchsuchte 35 Orte. Sie fanden zwar alte Keramikscherben, die auf Handelswege hinwiesen, jedoch keine Stadt.
Im Dezember 1992 kehrten Clapp und seine Forscherkollegen in die Rub Al Khali-Wüste zurück und begannen an verschiedenen Stellen Ausgrabungen – eine davon war das Oasendorf Shisr.
Ironischerweise war Bertram Thomas auf seiner Expedition ebenfalls schon dort. Ihm fielen die Ruinen eines alten Forts in der Nähe des Oasendorfs auf.
Bewohner erzählten Thomas, dass die Anlage vor ca. 300 Jahren von einem lokalen Scheich erbaut wurde. Kurze Nachforschungen schienen dies zu bestätigen – und so setzte Thomas sein Expedition an anderer Stelle fort.
Clapps Team stellte weitere Nachforschungen an. Das Fort stammte tatsächlich aus der Neuzeit, jedoch verbargen sich darunter weitere, viel ältere Überreste, die sich später als das gesuchte Ubar herausstellten. Sie fanden sogar heraus, dass einige Kalksteinblöcke aus Ubar zum Bau des neuzeitliche Forts verwendet wurden.
Mit der Hilfe von zeitweise bis zu 40 freiwilligen Helfern schaffte es die Gruppe nach monatelangen Ausgrabungen die Überbleibsel Ubars freizulegen.
Ausgrabungsstätte der antiken Stadt Ubar | © gemeinfrei
Was sie fanden, war keine Stadt, wie man sie im heutigen Sinn verstehen würde. Früher lebten die meisten Araber in Zelten, bei denen es möglich war, die Seiten zu öffnen, um frische Luft hereinzulassen, statt in richtigen Wohnungen. Diese Zelte hinterlassen nach so langer Zeit natürlich nur wenige Spuren. Bis auf zahlreiche gefundene Feuerstellen ist vom Großteil der Stadt dementsprechend nicht mehr viel vorhanden.
Im Zentrum der Zeltstadt befand sich eine Festung. Diese diente dem Herrscher von Ubar als Residenz, als Verarbeitungs- und Lagereinrichtung für Weihrauch sowie als Aufzeichnungs-Aufbewahrungsstätte.
In unruhigen Zeiten zogen sich die Bewohner der ganzen Stadt in diese Festung zurück. Die Festungsanlage wurde von acht Mauern, jede etwa 0,6 m dick und 3 m bis 3,60 m hoch, umgeben. An jeder Ecke stand ein ca. 3 m breiter und 9 m hoher Turm.
Die für die damalige Zeit außergewöhnliche Festung mit ihren charakteristischen Türmen war für die Forscher ein starkes Indiz dafür, dass es sich bei der gefundenen antiken Stadt Ubar um die im Koran erwähnte sagenumwobene Stadt Iram der Säulen handelt.
Inmitten der Festungsanlage befindet sich ein riesiges Erdloch, welches einen Großteil der inneren Gebäude mit in den Abgrund gerissen hat. Auch dies passt zu den Erzählungen des Korans, in denen die Stadt Iram nach einem kataklysmischen Ereignis vom Sand verschlungen wurde.
Erdloch inmitten der antiken Ruinen | © Benutzername: 9591353082 im englischen Wikipedia / GFDL, CC-BY-SA-3.0 oder CC BY 2.5 / Wikimedia Commons / Bild zugeschnitten
Weitere starke Indizien, die die These, dass Ubar die legendäre Stadt Iram ist, unterstützen, wurden nicht gefunden.
Jedoch fand das Forscherteam einige Gegenstände, die aus der Antike stammen und darauf hinweisen, dass die Ausgrabungsstätte zu früheren Zeiten als Handelsstation – womöglich auch für den Weihrauchhandel – genutzt wurde. Neben Tierknochen, unter anderem von Kamelen, gruben sie Keramikfragmente, Münzen und Räuchergefäße aus.
Menschenknochen fanden sie bislang nicht. Was aber auch nicht verwunderlich ist, da das Team um Nicholas Clapp bislang nicht auf dem Grund des Erdlochs gesucht hat, wo vermutlich die meisten Opfer – wenn es welche gegeben hat – liegen.
Ob Ubar die im Koran erwähnte Stadt Iram der Säulen war, kann bis zum heutigen Tag nicht eindeutig geklärt werden. Es ist genauso möglich, dass das echte Iram noch unter dem Sand Arabiens auf seine Entdeckung wartet – oder dass es nur ein Mythos ist und nie wirklich existierte.
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